Seifenmythen Teil 2 - Wahrheit oder Quatsch

Endlich ist es geschafft - hier kommt der zweite Teil der Seifenmythen.

Wer den ersten Teil noch nicht kennt oder gerne noch einmal nachlesen möchte:  Seifenmythen Teil 1

 

Dieser Teil beschäftigt sich mit den Geschichten, die sich um saure Rinsen, Zitronensäurezusätze,

Überfettung von Naturseifen und brüchige Haare ranken...

Mythos 5:  Nach der Seifenwäsche muss man eine saure Rinse machen...

Das ist eine Aussage, die immer wieder verbreitet wird und gehört zu den Sätzen, die man so nicht stehen lassen kann - in manchen Fällen ist sie durchaus sinnvoll und in anderen völlig überflüssig.

 

Man kann sich die Oberfläche eines Haare in etwa wie einen Tannenzapfen vorstellen, im günstigsten Fall liegen die einzelnen "Schuppen" eng aneinander und bilden eine recht glatte Oberfläche. Dadurch wirkt das einzelne Haar glatt, geschmeidig und glänzend. Durch die Haarwäsche stellen sich diese Haarschuppen auf - das passiert immer, schon alleine warmes Wasser löst diesen Effekt aus. Naturseife verstärkt diesen Effekt durch ihren basischen PH-Wert - was aber nicht dramatisch ist, denn das Haar ist so konstruiert, dass sich die Schuppenschicht von ganz alleine wieder anlegt. Allerdings dauert das etwas, und in dieser Zeit fühlt sich das einzelne Haar rau an und hat auch weinig Glanz - erfahrene Seifenverwender wissen aber, dass "Seifenhaare" oft erst ein paar Stunden nach der Wäsche richtig schön werden.

Wenn man darauf nicht warten möchte, reicht oftmals schon ein guter Guss kaltes Wasser nach dem warmen und gündlichen Ausspülen der Seife aus, um die Schuppenschicht dazu zu bringen, sich reflexartig anzulegen - ist das Wasser leicht angesäuert (wie es bei einer sauren Rinse der Fall ist) verstärkt das den glättenden Effekt.

Die saure Rinse übernimmt also im Prinzip die Funktion eines Conditioners - mancher mag den flutschigen Effekt und mancher mag die Haare lieber griffig und etwas fester und verzichtet deshalb auf die saure Rinse.

In manchen Fällen hat die Säure auch einen leicht austrocknenden Effekt auf Haar und Haut, in diesem Fall kann man versuchen mit verschiedenen Säurevarianten (Zitrone / Essig / Milchsäure / Tee usw.) evt. bessere Ergebnisse zu erzielen - oder es einfach mal ohne zu probieren.

 

Was die saure Rinse nicht kann:

Sie entfernt keine Seifenrückstände aus den Haaren. In den allermeisten Fällen sind klebrige, pappige und auch fettige Haare nach der Seifenwäsche ein Zeichen für nicht ausreichend aufgeschäumte Seife (mehr zur Waschtechnik: Haarseife, Tipps und Tricks) und da hilft nur eine erneute Wäsche. Wer das nicht glaubt, kann ja mal versuchen, die fettigen und klebrigen Rückstände in Waschbecken oder Dusche einmal kurz mit dem angesäuerten Wässerchen zu übergießen (ohne zu reiben, das macht man im Haar ja auch nicht) - das Ergebnis wird zeigen, dass überhaupt nichts passiert, die Rückstände kleben noch genau so da wie vorher.

 

Sehr oft werden die gerade beschriebene Beläge als  Kalkseife bezeichnet - in den meisten Fällen ist es aber keine.

"Richtige" Kalkseife lässt die Haare hart, spröde und klettig werden, wie von einem harten "Panzer" ummantelt - da kann die saure Rinse eventuell hilfreich sein, ein echter Kalkseifenbelag ist allerdings sehr hartnäckig.

In der Regel lässt sich ein Kalkseifenbelag aber durch eine sehr gründliche Waschtechnik vermeiden - Kalkseifen entstehen bei der Verwendung von Seife mit Leitungswasser immer, da es sich um eine chemische Reaktion von Seife mit den im Trinkwasser vorhandenen Calcium- und Magnesiumionen handelt, je nach Wasserhärte mehr oder weniger.

Je mehr Schaum bei der Seifenwäsche erzeugt wird, um so weniger Chancen haben die schwerlöslichen Kalkseifen, sich am Haar "festzukrallen", sondern sie werden mit dem Schaumteppich abgespült (mehr zum Thema Kalkseifen folgt im nächsten Kapitel).

 

Wenn viel Kalk im Leitungswasser vorhanden ist, kann sich dieser aber auch noch nachdem die Seife ausgespült ist auf dem Haar niederschlagen. Das ist dann keine "Kalkseife", sondern einfach nur "Kalkbelag". Hier macht ein Säurezusatz für eine abschließende Spülung der Haare Sinn - durch die Zugabe von Zitronensäure in kalkhaltiges Wasser wird das Calciumcarbonat (umgangssprachlich "Kalk") aufgelöst und so einfach mit "weggespült".

Man kann aber auch nach der Seifenwäsche (also nach dem gründlichen Ausspülen des Seifenschaums) als abschließende Spülung Regenwasser oder destilliertes bzw. entmineralisiertes Wasser verwenden, damit kann sich oftmals die Kalk-Problematik auch ohne Säurezusatz umgehen lassen.

 

Keinen Sinn macht für mich das Argument, dass die Kopfhaut und das Haar durch die saure Rinse wieder einen sauren PH-Wert bekommen sollen - warum sollte ich bewusst ein basisches Reinigungsmittel wie Naturseife verwenden, wenn ich davon überzeugt bin, dass es meiner Haut im sauren Zustand besser geht? In diesem Fall ist es vielleicht doch sinnvoller, weiterhin Shampoos und Duschgels zu verwenden, die auf einen sauren PH-Wert eingestellt sind... 

Mythos 6:  Zitronensäure in der Seife ersetzt die saure Rinse...

Diese Aussage ist so nicht richtig, denn obwohl der selbe Ausgangsstoff verwendet wird, ist die Funktion unterschiedlich.

 

Was also macht die Zitronensäure in der Seife?

 

Der Verseifungsprozess ist ein chemischer Vorgang und wenn Zitonensäure schon bei der Verseifung eingesetzt wird, wird diese in Natriumcitrat (ein Salz das durch Neutralisation von Natronlauge mit Zitronensäure entsteht) umgewandelt. Das wiederum ist ein milder, natürlicher Entkalker, der auch keinen sauren PH-Wert mehr hat.

Oft wird gefragt, warum denn dann Zitronensäure auf dem Etikett deklariert ist und nicht Natriumcitrat - das liegt daran, dass auf dem Etikett alle Rohstoffe angegeben werden müssen, die zum Zeitpunkt der Herstellung verwendet werden. Natriumcitrat entsteht aber erst im folgenden Verseifungsprozess und wird nicht schon als "fertiger" Rohstoff eingesetzt.

 

Wie schon im vorherigen Abschnitt beschrieben, entstehen Kalkseifen bei der Seifenwäsche immer - das ist eine chemische Reaktion von Seife mit den im Wasser enthaltenen Calcium- und Magnesiumionen. Natriumcitrat maskiert diese Ionen - einfach ausgedrückt "versteckt" dieses Salz die mineralischen Ionen vor der Seife, und dadurch können sich erheblich weniger Kalkseifen bilden.

Das hat bei der Haarwäsche mit Seife den Vorteil, dass sich weniger Ablagerungen auf dem Haar bilden können - wobei ich nochmals betonen möchte, dass klebrige, fettige Rückstände in der Regel sowieso keine Kalkseifen sind, sondern ungenügend aufgeschäumte Seife die sich nicht ausspülen lässt.

Kalkseife bildet harte, spröde Beläge, die das Haar klettig, strohig und trocken erscheinen lassen.

Da Kalkseifen auch als "Schaumbremsen" funktionieren, schäumen Naturseifen mit Zitronensäurezusatz in der Regel auch williger als Seifen ohne.

Den haarglättenden Effekt der sauren Rinse hat die verseifte Zitronensäure allerdings nicht mehr, denn der entsteht ja durch den sauren PH-Wert der Rinse.  Natriumcitrat hat einen neutralen PH-Wert und die Seife bleibt unverändert basisch.

Mythos 7:  Die Überfettung einer Haarseife ist besonders wichtig...

Da es heute im Beitrag sowieso ein bisschen "chemisch" zugeht, möchte ich zuerst den Begriff Überfettung etwas näher erklären.

 

Als Überfettung wird der Anteil an Ölen bezeichnet, die nicht oder nicht vollständig verseift werden.

Ein genau berechneter Anteil Natriumhydroxid verseift eine definierte Menge an Ölen, das würde 0% Überfettung bedeuten - wenn aber mehr Öl vorhanden ist als das Natriumhydroxid verseifen kann, bleibt dieser Rest als sogenannte Überfettung zurück (auch dieser Überschuss wird natürlich genau berechnet).

Übrigens liest man auch manchmal den Begriff Unterlaugung, der bedeutet genau das selbe - es wird weniger Natriumhydroxid (in Form von Natronlauge) verwendet, als zur vollständigen Verseifung aller Öle nötig wäre...es ist also egal, welchen Begriff man verwendet.

 

Um die Verwirrung komplett zu machen liest man auch immer wieder, dass ja gar keine "richtigen" Öle mehr in der Überfettung vorhanden sind...was bedeutet das in der Praxis?

Ein Ölmolekül besteht aus einem Teil Glycerin an dem drei Fettsäuren "hängen", (die chemische Bezeichnung für Öl ist Triglycerid) - welche Fettsäuren das sind, hängt von der Zusammensetzung des jeweiligen Öles ab. Wenn jetzt eine wässrige Lösung von Natriumhydroxid (Natronlauge) zugegeben wird, werden die Fettsäuren durch eine chemische Reaktion, die Verseifung genannt wird, zu Seife (Natriumsalze der jeweiligen Fettsäuren) und der Teil Glycerin bleibt übrig.

Übrigens enthalten kaltverseifte Naturseifen dadurch immer natürlicherweise Glycerin, Kernseifen dagegen nicht - da wird beim Herstellungsprozess durch das heiße Aussalzen der Glycerinanteil entfernt (das Glycerin wird dann anderweitig verwendet, z.B. für Kosmetika), aber manchmal auch teilweise der Seife wieder zugesetzt, in diesem Fall muss das Glycerin extra auf dem Etikett deklariert werden.

Aber weiter zur Überfettung:

So sieht die Verseifung schematisch betrachtet aus, wenn keine Überfettung vorliegt. Wenn jetzt aber mehr Öl vorhanden ist, als verfügbare Natronlauge, bleib ein Überschuss zurück...der muss aber nicht zwangsläufig aus vollständigen Ölmolekülen bestehen.

Das Natriumhydroxid "schnappt" sich die verfügbaren Fettsäuren sozusagen planlos bis es aufgebraucht ist, zurück bleiben teilweise vollständige Ölmoleküle (Trigyceride), aber auch Moleküle, mit noch einer oder auch zwei anhängenden Fettsäuren.

Diese Moleküle bezeichnet man als Monoglyceride und Diglyceride, diese haben eine emulgierende Wirkung und sind durch ihren noch anhängenden Fettsäureanteil ebenfalls rückfettend.

Die Überfettung ist also ein Mix aus vollständigen Ölmolekülen, Mono- und Diglyceriden...

 

Mit diesen Informationen weiß ich aber immer noch nicht, welche Überfettung ich wählen soll - und ganz ehrlich, hier gibt es tatsächlich keine eindeutige Empfehlung.

Klar ist, dass jemand mit extrem fettigem Haar zuerst eine nicht allzu hohe Überfettung verwenden wird, denn zuviel rückfettender Effekt ist hier natürlich kontraproduktiv - genau so wie jemand mit sehr trockenem Haar mit Sicherheit nicht mit einer 2% überfetteten Seife glücklich sein wird.

Insgesamt betrachtet ist aber der wichtigste Aspekt bei der Seifenauswahl die Zusammensetzung der Öle und die ist für jeden Anwender sehr individuell. Wenn die Haarseife aus einem Öl besteht, mit dem meine Haare absolut nicht klarkommen, ist die Überfettung völlig egal - es wird nicht funktionieren.

Wenn ich aber eine Kombination der Inhaltsstoffe gefunden habe, die mein Haar genau richtig reinigt und pflegt, dann ist die Überfettung sozusagen das "Feintuning" um noch ein bisschen mehr (oder weniger) rückfettende und damit pflegende Wirkung zu erreichen...und "viel" hilft nicht immer "viel", man kann auch pflegebedürftiges Haar überpflegen und es damit kraftlos und schlapp erscheinen lassen (das muss auch nicht zwangsläufig fettig aussehen). Wenn man also das Gefühl hat, es passt noch nicht so richtig, sollte man ruhig mal eine ganz andere Überfettung ausprobieren, auch wenn es vielleicht abwegig erscheint für feines, fettendes Haar eine höhere Überfettung zu versuchen oder bei trockenem Haar auch unter 20% Überfettung die "richtige" Seife zu finden.

Mythos 8:  Naturseife macht die Haare brüchig

Hier sage ich ganz klar: Das ist Quatsch

Beim Umstieg auf die Haarwäsche mit Seife kommt nach und nach der tatsächliche Haarzustand zum Vorschein.

Naturseife enthält keinerlei Zusätze, die das Haar ummanteln wie z.B. Silikone oder andere Filmbildner und enthält auch keine Hilfsstoffe zur Verbesserung der Kämmbarkeit - und da fängt das Problem an.

 

Besonders häufig tritt das Problem Haarbruch auf, wenn vorher mit silikonhaltigen Mitteln gewaschen und gepflegt wurde. Der Schutzfilm, der eventuelle Haarschäden "zusammengeklebt" hat, wäscht sich mit der Zeit ab und zum Vorschein kommt die "nackte Wahrheit". Es kann durchaus auch eine ganze Zeit dauern bis die Schädigung bemerkbar wird, denn selbst mit einigen "Reinigungswäschen" (z.B. Natronwäschen) kann man diese hartnäckigen Verbindungen unter Umständen anfangs nicht vollständig entfernen.

 

Selbst wer schon länger mit naturkosmetischen Mitteln gewaschen und gepflegt hat, ist vor Filmbildnern nicht sicher gewesen - im Prinzip enthalten auch hier fast alle Shampoos, Spülungen/Conditioner und Haarcremes Zusätze, die das Haar ummanteln und damit geschmeidiger und besser kämmbar machen.

Ein Haar, das irgendwann einen Schaden davongetragen hat, wird auch irgendwann einfach abbrechen - der Schaden kann durch mechanische Belastung wie falsches Bürsten, Reibung durch Schals oder Kragen, falschen Haarschmuck (Spangen, Zopfgummis) usw. entstanden sein, oder durch Behandlungen wie Färben, Dauerwellen, Glätten, Lockenstäbe oder Lockenwickler...und es kann auch schon lange her sein, dass der Schaden entstanden ist.

Gerade langhaarige Seifen-Neulinge stellen oftmals brüchige Haarspitzen bei sich fest und vergessen dabei, dass die heutigen Spitzen schon einige Jahre alt sind und evt. auch schon vor Jahren geschädigt wurden, als sie noch "neue" Haare waren (wer weiß schon, was man vor 6 Jahren mit seinen Haaren gerade ausprobiert hat).

Naturseife hat zwar eine deutlich rückfettende und damit auch pflegende Wirkung,

ist aber in erster Linie ein Reinigungsprodukt, sie kann definitiv nicht reparieren, auffüllen oder kitten.

Das können andere Produkte auch nicht (trotzdem wird es in der Werbung immer wieder versprochen), was diese Produkte aber können, ist das Haar mit einem Film zu ummanteln und damit eine scheinbare Gesundheit des Haares vorzugauklen. Wenn dieser "Schutzfilm" durch die Seifenreinigung endgültig entfernt wird, hat man ein aussagekräftiges Bild über den wirklichen Haarzustand...und der ist oftmals nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben.

 

Abhilfe ist leider schwierig, die sinnvollste Lösung ist natürlich abschneiden - aber das kommt für viele nicht in Frage.

Eine Alternative ist die zusätzliche Pflege mit natürlichen Ölen ohne Zusätze (also möglichst kein Fertigprodukt, in dem dann wieder wer weiß wie viele "Wirkstoffe" enthalten sind) um das Haar so geschmeidig wie möglich zu halten und den Haarbruch dadurch herauszuzögern.

Wenn man auf die positive Wirkung der Seife auf die Kopfhaut nicht verzichten möchte, aber trotzdem mit Filmbildnern kein Problem hat, kann man natürlich auch weiterhin einen Conditioner nach der Seifenwäsche verwenden (nur in den Haarlängen, nicht auf der Kofhaut) - so kann das Haar gesund nachwachsen und wenn man zeitgleich nett und haarschonend mit dem Neuwuchs umgeht, kommt der auch irgendwann gesund und ohne Haarbruch unten an.

 

Trennen sollte man sich von dem Gedanken, dass Naturseife das neue "Wundermittel" für die Haare ist, das ist sie nämlich nicht. Naturseife für Haut und Haare zu verwenden ist ein möglichst natürlicher Weg sich mit minimalen negativen Auswirkungen auf den Körper und die Umwelt zu reinigen und zu pflegen, und sich dadurch von belastenden Zusätzen wie scharfen Tensiden, Mineralölen und Mikroplastik zu verabschieden - sie ist aber keine Rettung für eine bereits geschädigte Haarstruktur.


Uff, das ist jetzt eine Menge Text geworden - Glückwunsch, wer bis hierhin durchgehalten hat :-)

Ich hätte noch ein paar Themen auf Lager, die sich etwas allgemeiner auf Naturseifen beziehen (also nicht so haarorientiert), aber daraus werde ich zu gegebener Zeit noch einen dritten Teil Seifenmythen basteln - also bleibt neugierig...